Der hermeneutische Zirkel der Bildanalyse #TheorieVisuell

Um die Bilder in ihrem Sinn zu erschließen, wende ich in meiner Arbeit eine korpus-basierte Bildanalyse an. In dieser werden alle erhobenen Bilder nicht getrennt voneinander betrachtet und analysiert, sondern vergleichend gegeneinander gehalten. Der Korpus der fast 200 Bilder ist ein Vergleichshorizont, der eine Bandbreite von Deutungsentscheidungen bezüglich der Themenvorgaben „Ich und Chemnitz“ sowie „Ich und Europa“ enthält. Auf diese Weise können die einzelnen Bilder in ihrer Ähnlichkeit und Unterschiedlichkeit zueinander aneinander gehalten werden, um verschiedene Perspektiven auf die Bilder zu erhalten und neue Seharten zu generieren.

Der hermeneutische Zirkel der Bildanalyse (Quelle: eigene Darstellung)

Der hermeneutische Zirkel der Bildanalyse (Quelle: eigene Darstellung)

In der Phase der Bildauslegung, werden alle Bilder (die in Miniaturisierung materiell vorliegen müssen) nacheinander physisch ausgelegt und nach spezifischen Anschauungsaspekten gruppiert. Ein Anschauungsaspekt kann dabei sowohl auf eine bestimmte Gestaltung Bezug nehmen oder einen Inhalt meinen. Auf diese Weise werden die Bilder sowohl durch ein wiedererkennendes Sehen (Panaofsky 1996) als auch durch ein sehendes Sehen (Imdahl 1980) ausgelegt. Während es beim wiedererkennenden Sehen vor allem um die Identifikation von Bildelementen geht, wie beispielsweise den Roten Turm, ist beim sehenden Sehen vielmehr die Form und Gestaltung im Bild relevanter Aspekt. Da es sich im Bild immer um einen geformten Inhalt bzw. eine inhaltliche Formung handelt, also beide Teile zusammen realisiert sind, wird keine der Seharten ausgeschlossen.

Nachdem alle Bilder ausgelegt sind, werden diese in der Phase der Bildanschauung schließlich nach dem in der Bildauslegung identifizierten Aspekt einer eingehenden Betrachtung unterzogen. Dafür werden die Bilder zunächst in einer Bildzusammenstellung als Bildtafel formiert. Jene Bildtafeln werden hier auf diesem Blog bereits veröffentlicht. Die Anschauung und der Vergleich der Bilder auf der Tafel wird in der jeweiligen Sortierung deutlich, so dass sich stets neue Versionen der Bildtafel ergeben.

Ergebnis der Bildauslegung sind somit Anschauungsaspekte und Bildergruppen, die in der Bildanschauung einer genauen Analyse unterzogen werden. So stellt das Ergebnis der Bildanschauung eine Bildzusammenstellung dar, also konkreten Bildtafeln. Die gewählte Zusammenstellung ist im Laufe des hermeneutischen Zirkels ständigen Änderungen unterworfen, da die Bildauslegung stets neue Gruppierungen und Aspekte hervorbringt, die sich wiederum auf die bisherig erarbeiteten Bildtafeln auswirkt.

Ab der nächsten Woche werden dann Bildtafeln veröffentlicht, die in der zweiten Runde des hermeneutischen Zirkels entstanden sind. Der Zirkel wird solange durchlaufen, bis alle Bilder mindestens einmal Bestandteil von Bildtafelzusammenstellungen geworden sind, keine neuen Seharten und Anschauungsaspekte mehr hinzugefügt werden können und die bisherigen Zusammenstellungen keine Widersprüche oder Lücken aufweisen.

Literatur:

  • Imdahl, Max (1980): Giotto. Arenafresken. Ikonographie, Ikonologie, Ikonik, Wilhelm Fink Verlag, München.
  • Panofsky, Erwin (1996): Ikonographie und Ikonologie. Eine Einführung in die Kunst der Renaissance. In: Panofsky, Erwin (Hrsg.): Sinn und Deutung in der bildenden Kunst. Köln: DuMont, S. 36-67.