Aller Anfang ist schwer und die 1.Bildtafel

Wie fängt man an einen ganzen Stapel von Bildern zu analysieren, die noch dazu so unterschiedlich von Inhalt und Gestaltung sind?

 

Einen sehr interessanten Ansatz bietet der Kunsthistoriker Aby Warburg, der eine ganz besondere Arbeitsweise hervorgebracht hat und einen Vorschlag zur Auslegung von Bildern. In seinem Hauptwerk, dem „Bilderatlas MNEMOSYNE“, welches auch sein letztes Werk darstellt, sammelt er vor allem antike Kunstwerke und präsentiert diese thematisch sortiert auf Bildtafeln. Warburg ging es dabei vor allem um visuelle Anschaulichkeit und Nachvollziehbarkeit (Vgl. Rösch 2010, 97). Stets bearbeitete er die Bildtafeln hinsichtlich des Themas, der Gruppierung oder der Reihenfolge, so dass diese sich immer im Fluss befanden. Sein Ziel war die Aufstellung von endgültigen Bildtafeln, was er wegen seinem frühzeitigem Tod leider nie selbst beenden konnte. Aus heutiger Perspektive wirkt die Suche nach „Endgültigkeit“ überholt, da sie wenig Anschluss für moderne Konzepte wie Relationalität und Konstruktivität bietet. Ich möchte die Bildtafeln daher vielmehr nutzen, um eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, indem ich den Prozess hin zu einem Ergebnis darstelle.

Die Bildtafeln spiegeln demnach den Forschungsprozess wider und sie sind ein Mittel zur Präsentation von Bildern. Zudem ist das Besondere an dieser Art der Bildauslegung, dass sie ohne Worte auskommt – damit nicht den Betrachter lenkt und dieser selbst aktiv  Assoziationen und Bedeutungen setzen kann. Dies war auch explizit von Warburg gewollt, so lud er stets Interessierte in sein Haus ein, die Tafeln zu betrachten und weiterzuentwickeln.

Die Auslegung von Bildern auf einer solchen Bildtafel hat sich für mich und meine Forschung als sinnvoll erwiesen, da diese von der Simultanität der Bilder ausgeht und ein zusammenschauendes und vergleichendes Sehen realisiert wird. Weiterhin ist es mir möglich auf den Tafeln eine Vielzahl von Bildern zu vergleichen und kontrastieren und somit den Korpus in seiner Vielfalt zu nutzen und wiederzugeben.

Im letzten Post habe ich geschrieben, dass ich einzelne Schritte der Auswertung hier mit euch teilen möchte. Diese Schritte werde ich euch in Form von Bildtafeln zeigen, die sich auch bei mir ständig ändern, neue hinzukommen und andere wieder verworfen werden. Nun folgt also meine erste Bildtafel:

Bewusst gebe ich keine Erläuterungen zur Bildtafel, da mein Ziel nicht die Übersetzung der Bilder ist, sondern lasse diese in ihrer Gruppierung für sich sprechen. Bei jeder Bildtafel lade ich euch ein, eure Gedanken, Assoziationen, Überraschungen und Ideen mit mir zu teilen – hier in den Kommentaren, auf Facebook oder auf Twitter – also was sagt ihr?

Neue Serie startet: Bildauslegungen

Mit einer neuen Artikelserie melde ich mich zurück auf dem Blog. Einige fragen sich sicherlich, was in der Zwischenzeit mit den Bildern aus dem Projekt geworden ist. Vielleicht haben auch einige noch in Erinnerung, dass die Bilder Bestandteil einer wissenschaftlichen Arbeit werden sollten.
Diese Arbeit – meine Dissertation – setzt sich vor allem mit visuellem Wissen auseinander und rückt Bilder als Datenerhebungsmaterial in den Fokus. Ziel der im Bereich der visuellen Soziologie angesiedelten Forschung ist die Entwicklung einer Methode, die einen alternativen Zugang zur Lebenswelt schaffen soll im Gegensatz zu sprachbasierten Interviews. Die zahlreichen “Wissensbilder” sind somit Hauptgegenstand und auf diesen liegt auch gerade mein Interesse.

Rückblick: Im Projekt Wissensbilder wurden knapp 200 Bilder im Rahmen des Kunstunterrichtes am Goethe Gymnasium erstellt, die als Höhepunkt des Projektes im Rathaus ausgestellt wurden. Teilgenommen haben über 150 Schüler und Schülerinnen der 7., 9. Und 11. Klassenstufe. Aufgabe für die Schüler war es in einem Zeitraum von knapp 2 Monaten jeweils zwei Bilder anzufertigen. Für diese Bilder gab es jeweils ein kurzes Thema als Vorgabe. Das Erste lautete „Ich und Chemnitz“ und das Zweite „Ich und Europa“. Die Schüler durften sowohl ein beliebiges Format als auch eine beliebige Gestaltung auswählen. Eine inhaltliche Einführung zu den Themen fand bewusst nicht statt, so dass die Schüler unbefangen von externen Einflüssen ihre eigene Meinung wiedergeben konnten.

Innerhalb der Forschungsarbeit möchte ich mit Hilfe der Bilder herausfinden, welche Relevanzsysteme die Jugendlichen hinsichtlich ihrer Identität im Verhältnis zu ihrer Heimat Chemnitz und zu Europa ausgebildet haben. Diesbezüglich werden die Bilder bereits seit einer längeren Zeit ausgewertet. Die Schritte der Auswertung werden in den nächsten Wochen und Monaten auf dieser Seite vor allem in visueller Form präsentiert. Wie die Auswertung konkret vonstatten geht, entwickle ich in meiner Arbeit, da der Ansatz von resdpondent-generated visual data (Vgl. Prosser, 1998) gerade im deutschsprachigen Raum noch am Anfang steht.
Momentan befinde ich mich also in einer praktischen Analysephase, in welcher ich sehr nah an den Bildern arbeite. Ich werde diesen Blog fortan nutzen, um einzelne Schritte und Zwischenergebnisse der Bildanalyse zu dokumentieren und damit meine Arbeit noch im Prozess für Interessierte zu öffnen. In diesem Sinne freue ich mich auf Fragen, Anregungen und Diskussionen auf diesem Blog und freue mich diesen so wieder neu mit Leben zu füllen.